Tallinn, Lahemaa und Haapsalu

Ein Besuch Tallinns, der Hauptstadt Estlands, kann durchaus mit einer Zeitreise ins Mittelalter verglichen werden. Die verwinkelten Kopfsteinpflasterstraßen gehen auf das 11. Jahrhundert zurück und führen zu versteckten Gassen, Hinterhöfen und spitzen Kirchtürmen. Die außergewöhnlich gut erhaltene Altstadt ist nicht ohne Grund zum UNESCO Weltkulturerbe gewählt worden.

Am Platz des heutigen Tallinn haben vermutlich schon um 2500 v. Chr. die ersten Finno-Ugrischen Stämme gesiedelt. Die ersten Gebäude wurden auf dem Domberg der Oberstadt (Toompea) im 10. Jahrhundert errichtet – einer Zeit des aufkommenden Handels in Nordeuropa und im Ostseeraum, in der dieser Standort ideal für eine Befestigung geeignet war. Von ihren Bewohnern wurde die Stadt Reval genannt. 1219 kamen die Dänen und bauten ihre eigene Burg, die sie nur wenige Jahre später wieder an den deutschen Schwertbrüderorden verloren, der seine Besitzungen im Baltikum ausweitete. Eben dieser Orden baute dann die ersten steineren Befestigungsanlagen. Doch 1238 wurde Reval von den Dänen zurückerobert und in Tallinn umbenannt, was so viel wie „Dänische Stadt“ auf estnisch bedeutet. Diese dänische Periode währte bis 1346, als die Dänen Tallinn und das nördliche Estland an den Deutschen Orden verkauften, der die darauffolgenden Jahrhunderte das Sagen in der Stadt behielt. Die Amtssprache in Tallinn war bis 1889 Deutsch. Der Domberg Toompea war die Residenz der Mächtigen und Adeligen. Besucher Tallinns dürfen keinesfalls versäumen, den Berg hinaufzusteigen - bis zu den Aussichtsplattformen Kohtuotsa und Patkuli, die einen fantastischen Panoramaausblick über die Altstadt bieten.

Nach der Errichtung der Burg auf dem Domberg, entwickelte sich die restliche Stadt Schritt für Schritt in Richtung Hafen, dieser Teil wird heute Unterstadt genannt. Im Mittelalter war die Unterstadt eine eigene politische Einheit mit eigenen Rechten als autonome Stadt und wurde überwiegend von Händlern und Handwerkern bewohnt. Es gab es viele Konflikte zwischen Ober- und Unterstadt und Nachts wurden die Tore zur Oberstadt verschlossen und Unterstadt-Bewohnern war der Zugang versperrt. Dieses Praxis erhielt sich sogar bis in das 19. Jahrhundert. Inmitten der Unterstadt befindet sich der Rathausplatz (Raekoja Plats) mit dem einzigen erhaltenen gotischen Rathaus ganz Nordeuropas. Heute ist der Platz umgeben von zahlreichen Restaurants, Cafes und Geschäften und ist das lebendige Zentrum der Altstadt.

Während des 14., 15., und 16. Jahrhunderts war Tallinn Teil der Hanse, dem mächtigen Städtebund. Die Stadt blühte und entwickelte sich zu einer der größten Städte Nordeuropas. Viele der historischen Bauten in der Altstadt, die dort bis heute bewundert werden könnne, entstammen dieser Zeit. Der Turm „Kiek in de Kök“ in der wehrhaften Stadtmauer diente der Verteidigung und beherbergt heute ein Museum – und hat seinen plattdeutschen Namen behalten. Der Turm „Paks Margareeta“, die dicke Margarethe, beschützt mit sechs Metern mächtigen Mauern die Seeseite der Stadt und beeindruckt über den Hafen ankommende Besucher. In der dicken Margarethe finden man heute das sehenswerte Meeresmuseum (Meremuseum).

Nach dem Großen Nordischen Krieg von 1710, als Tallinn an Russland fiel, wurde Zar Peter der Große zum Herrscher über die Stadt. In dieser Zeit wurde seine Sommerresidenz Katharienruhe (Kadriorg) erichtet, beannt nach der Zarin Katharina. Der eindrucksvolle Barockpalast mit zeitgenössischen Gärten und Parkanlagen ist einen Besuch Wert – ein lohnenswerter Abstecher nur eine kurze Straßenbahnfahrt vom Stadtzentrum entfernt. Ein weiterer Zeuge der russischen Zeit ist die Alexander NevskyKathedrale, Tallinns größte mit Zwiebeltürmen gekrönte Kirche. Zar Alexander III ordnete ihren Bau 1894 an, als Teil seiner Russifizierungspolitik im Baltikum. Um einen Eindruck vom jüngeren russischen Einfluß zu gewinnen, sollte man das Okkupationsmuseum besuchen, das die Geschichte Estlands von 1940 bis 1991 beschreibt.

Rund um Tallinn sind zahlreiche schön gelegene Wasserfälle zu finden. Sie stürzen sich über die Kalksteinklippen des Baltischen Glints – ein ungewohnter Anblick in einer ansonsten recht flachen Landschaft. Die breiten Wasserfälle bei Keila-Joa und Jägala Juga sind einen Besuch Wert. Nur 50 Kilometer östlich von Tallinn liegt der Lahemaa-Nationalpark. Hier hat sich die typische nordestnische Landschaft in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten können: Einsame Buchten, Moorlandschaften, ausgedehnte Wälder, Fischerdörfer und zahlreiche Herrenhäuser prägen diese Region. Im Nationalpark liegen die ehemaligen deutsch-baltischen Anwesen von Sagadi, Vihula, Kolga und Palmse. Vor allem das vorbildlich renovierte Herrenhaus von Palmse mit seinen Parkanlagen sollte bei keinem Lahemaa-Besuch verpasst werden. Von Tallinn aus werden in den Sommermonaten auch organisierte Tagesausflüge in den Nationalpark angeboten.

Auf dem Weg in Richtung Saaremaa im Westen Estlands kommt man durch Haapsalu, nur 100 Kilometer von der Hauptstadt Tallinn entfernt und schon seit langem ein beliebter Urlaubsort für die Esten. Der älteste, über 700 Jahre alte Teil Haapsalus liegt auf einer schmalen Landzunge. Die enge Straßen mit historischen Holzhäusern sind daher vom Meer umgeben, weshalb die Stadt bisweilen auch als „Venedig des Nordens“ bezeichnet wird. Die alte Bischofsburg von Haapsalu ist eines der bemerkenswertesten Beispiele der mittelalterlichen Architektur in Estland. Bis heute sind die Ruinen eindrucksvolle Zeugnisse der Geschichte. Der Bahnhof von Haapsalu gilt als einer der schönsten in Estland, mit dem längsten Bahnsteig in Nordeuropa zur Zeit der Ferigstellung 1907. Heute findet man hier des Estnische Eisenbahnmuseum.

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Estland  
ViaBaltica.de, 12. März 2018

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