Was ist baltisch?

Jahrhundertelang standen Esten und Letten unter der Herrschaft fremder Mächte: Deutsche, Polen, Dänen, Schweden und Russen haben in Estland und Lettland ihre Spuren hinterlassen. Dieses gilt auch für Litauen, obwohl die Litauer es schafften, sich im Mittelalter dem Deutschen Orden zu widersetzen - sie kamen aber später unter polnische und russische Herrschaft. Doch woher kommt eigentlich der Begriff "Baltikum"? Was ist "baltisch"?

Der griechische Seefahrer Pytheas berichtete im 4. Jahrhundert v. Chr. von einer Insel „Basileia“ in der Ostsee, wo der Bernstein seinen Ursprung hätte. Spätere antike Berichte veränderten den Namen des Bernsteingebietes in „Balcia“. Als erster nannte im 11. Jahrhundert der Chronist Adam von Bremen die Ostsee „Mare Balticum“. Der Begriff „Balticum“ blieb fortan an das Meer gebunden. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich für die russisch gewordenen Gebiete Estland, Livland und Kurland (das heutige Estland und Lettland, ohne Litauen) die Bezeichnung „baltische Provinzen“ durch. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man auch, die deutsche Oberschicht Estlands und Lettlands als „Baltendeutsche“ oder „Deutschbalten" zu bezeichnen.

Alle drei Länder zusammen als „baltisch“ zu bezeichnen, ist eine eher junge Entwicklung: Erst in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen, als Estland, Lettland und Litauen erstmals unabhängige Staaten wurden, fasste man sie als „baltische Länder“ zusammen und sprach vom „Baltikum“. Trotz aller historischer, kultureller, religiöser, sprachlicher und ethnologischer Unterschiede zwischen den baltischen Ländern, setzte sich diese vereinheitlichende Bezeichnung durch. Eine große Rolle spielten dabei sicher auch die gemeinsamen Erfahrungen der drei Völker im 20. Jahrhundert - von der sowjetischen Besatzung bis zur Erlangung der erneuten Unabhängigkeit Anfang der 90er Jahre.

Während Esten und Letten über lange Zeit eine gemeinsame Geschichte teilen, sieht die sprachliche Situation anders aus: Die Esten und die beinahe ausgestorbenen Liven sprechen keine baltische Sprache und sie gehören auch nicht zu den baltischen Völkern. Estnisch und Livisch sind finno-ugrischen Sprachen und haben eine große Ähnlichkeit mit Finnisch. Die „Baltischen Sprachen“ sind dagegen eine eigene Sprachfamilie der indoeuropäischen Sprachen, die weder zu den slawischen noch zu irgendeiner anderen in Europa gesprochenen Sprachgruppe gezählt wird. Zu ihr gehören lettische und litauische Dialekte sowie das ausgestorbene Kurisch und Pruzzisch. Die ursprünglichen Sprecher dieser Sprachen waren die zahlreichen baltischen Stämme in Lettland, Litauen und Ostpreußen, aus deren verschiedenen Dialekten das heutige Lettisch und Litauisch entstanden. Litauisch ist dabei eine der ursprünglichsten und ältesten heute noch gesprochenen Sprachen Europas. Erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich eine Schriftform der estnischen, lettischen und litauischen Sprachen. Maßgeblich daran beteiligt waren deutsche Gelehrte, die beispielsweise die Bibel in die einheimischen Sprachen übersetzten oder Wörterbücher zusammenstellten.

Geschichte  
ViaBaltica.de, 18. März 2018

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